"Dorf mit Zukunft durch Partnerschaft und Kooperation"

Bürgermeister Roland Ströbele überreicht Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch einen Heubär (zum vergrößern, Bild anklicken) Bürgermeister Roland Ströbele überreicht Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch einen Heubär (zum vergrößern, Bild anklicken)
Zum Besuch von Staatssekretärin Gurr-Hirsch:
Appell zur Zusammenarbeit


Über 100 Besucher aus zehn Gemeinden fanden sich in der Heuberghalle in Schwenningen ein. Sichtlich erfreut begrüßte der Initiator der Veranstaltung, Bürgermeister Roland Ströbele, Bärenthal, die Hauptrednerin, Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, die Landtagsabgeordneten Ernst Behringer und Guido Wolf sowie seine Bürgermeisterkollegen, Ortsvorsteher, Gemeinde- und Ortschaftsräte, Vereinsvertreter und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger. Die Frage nach dem „Warum“ der Veranstaltung beantwortete er mit der Festsstellung, Kooperation sei eine Grundvoraussetzung für die Selbständigkeit. Mit dem Projekt der Europäischen Union „Pro Lebensqualität“ sei die Attraktivität im ländlichen Raum gestärkt worden, was auch an den im Saal aufgestellten Schautafeln gesehen werden konnte. Unerlässlich sei es, die Bürger einzubeziehen. Der Bärenthaler Schultes warb, erneut die übergemeindliche und internationale Zusammenarbeit zu suchen. Für ein Interreg IV-Projekt  wären Vorarlberger Partner bereit.

Bürgermeister Herbert Bucher, Schwenningen, stellte seine Gemeinde vor und hieß die Gäste herzlich willkommen. Der Ort gebe, so ein Urlauber, Ruhe- und Rückzugsmöglichkeit. Andererseits sei der Rückgang von Einwohnerzahlen zu beklagen, und, dass die Kommune am Tropf des Landes hänge. Aber: „Wir greifen nach jedem Strohhalm“ schilderte Bucher durchaus doppeldeutig und werbend für den 14. Strohpark.

„Die Gemeinden im ländlichen Raum tun gut daran, sich zusammen zu tun“, begann die Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz ihren Vortrag. Hierin unterstütze sie das Land. Bewusst seien Fachhochschulen in ländlichen Regionen gegründet worden. Die Auseinandersetzung finde im Spannungsfeld der Lissabon-Strategie der Europäischen Union – sie will die Zentren stärken – und den Ansprüchen der Einwohner auf gleiche Lebensbedingungen im flachen Land wie im städtischen Raum statt.  Deswegen könne die Politikerin nur ermuntern, auf allen Feldern die interkommunale Partnerschaft zu suchen. Friedlinde Gurr-Hirsch erwähnte lobend bereits gelungene Beispiele auf den Gebieten von Wasser, Abwasser, Tourismus und Gewerbe. Sie sieht dies auch durch die neuen Werkrealschulen. Es sei unumgänglich, spezielle Kenntnisse, wie dem des Personenstandswesens (Standesamt) und Ausländerrechts sich durch Kooperation nützlich zu machen. Nicht nur die Effizienz würde erhöht, sondern mehr Bürgernähe praktiziert. Eine Bundesstudie habe ergeben, dass ein Drittel der Dienstleistungen für andere Gemeinden wahrgenommen würden.

Neue gemeinsame Aufgabenfelder erschlössen sich bei der Kultur und dem Tourismus. Der Urlauber frage nicht nach den Gemeindegrenzen.

Die demographische Entwicklung führe zwangsläufig zu neuen Herausforderungen, stellte die Parlamentarische Staatssekretärin fest. Die  Schülerzahlen würden zurückgehen. Dies wirke sich auf den öffentlichen Personennahverkehr aus. Der Standortwettbewerb nehme zu. Nur wer eine gute Infrastruktur und ein leistungsfähiges Dienstleistungsangebot aufweisen könne, würde bestehen. Auch die rückläufigen Finanzen forderten zum Schulterschluss. Immer bedeutender für die Akzeptanz von Entscheidungen würde eine breite Bürgerbeteiligung. Beruf und Familie müßten zusammen gebracht werden. Exemplarisch dafür stünde die Ausweitung des Angebots in den Kindertagesstätten.  

Aus Sicht der Landesregierung habe auch ein kleines und mittleres Dorf dann Zukunft, wenn die Kooperation gesucht würde. Anhand einiger Programme zeigte Frau Gurr-Hirsch auf, dass es der Politik mit dem ländlichen Raum ernst sei. Der interkommunale Ansatz sei zumeist Fördervoraussetzung. Die Staatssekretärin ermunterte die Gemeindeverterter, Ressentiments zu überwinden und Vertrauen aufzubauen, um ein gemeinsames Ziel der souveränen Gestaltung der Zukunft im Auge zu bewahren.

„Zur Erziehung der Kinder bedarf es ein ganzes Dorf“ zitierte die hohe Politikerin ein afrikanisches Sprichwort, zugleich als Bekenntnis für die Bedeutung der kleinen kommunalen Einheit.

Landrat Guido Wolf MdL, Tuttlingen, dankte der Staatssekretärin für die Anregungen, die es nun zielgerichtet auszubauen gelte, und leitete die Aussprache. Es wurde die den Bürger belastende teure Abwasserbeseitigung ebenso angesprochen wie die Bitte nach mehr Flexibilität bei den staatlichen Förderrichtlinien. Themen waren weiter die Flurbereinigung, die Entbürokratisierung und konkrete Vorhaben des Fremdenverkehrs im Donautal sowie die Grenzen ehrenamtlicher Belastung.

Die Repräsentantin des Ministeriums bat, gedanklich einen „Mischpreis“ zu bilden, denn den teuren Beiträgen stünden moderate Bauplatzpreise gegenüber. Friedlinde Gurr-Hirsch ließ den Vorwurf nicht auf der nationalen Ebene sitzen, man schiebe die Bürokratie auf Brüssel. Was europäische Generaldirektionen an Checklisten aufgestellt hätten, sei immens. Landrat Wolf nahm seine Beamten in Schutz, die ebenfalls über die ausbordenden Vorschriften stöhnten. Keine Zusage machte Wolf, sich für eine bituminöse Befestigung einer Straße zu einer Gaststätte im Donautal einzusetzen. Hier habe die Natur eindeutig Vorrang.

Mit einem gekonnten Power-Point-Vortrag zeigte die 1. Vorsitzende des Nachbarschaftshilfevereins „Hilfe von Haus zu Haus e.V.“, Monika Kohler die Grundlagen, Anfänge und die Entwicklung des Zusammenschlusses über sechs Gemeinden bei rund 5 000 Einwohnern auf. Getragen wird der Verein von den 178 privaten Mitgliedern und den politischen- und Kirchengemeinden. 35 Helferinnen wirken segensreich bei immer mehr zunehmender Nachfrage nach ihren Diensten. Für 2010 würden voraussichtlich 4 000 Stunden geleistet.

Bürgermeister Roland Ströbele dankte allen Akteuren, besonders der Staatssekretärin Friedlinde Gurr Hirsch, ihr als Erinnerung einen heimischen Heubären überreichend, und erwähnte noch einmal das Anliegen, bis Ende des Jahres einen Antrag stellen zu wollen, um ein neues gemeinsames europäisches Projekt zu beginnen.
(10.09.2010/PWI)